Die Arbeit bei Lieferdiensten wie Deliveroo, Foodora und Co. ist hart - und schlecht bezahlt Liefern am Limit

Engagiert im Einsatz für faire Arbeitsbedingen bei Lieferdiensten: Jan Kleifeld, Orry Mittenmayer und Semih Yalcin. Foto: NGG

Der Kölner Orry Mittenmayer ist seit drei Jahren Fahrradkurier. Wie kaum ein zweiter der sogenannten „Rider“ hat er die Arbeitsbedingungen der Lieferdienste Deliveroo, Foodora, Lieferando & Co. am eigenen Leib erfahren: Leistungs- und Verhaltenskontrollen, Stundenlöhne von neun Euro, fehlende Arbeitsmaterialien, sachgrundlos befristete Arbeitsverträge, Zeitdruck und hohe Ausgaben für Verschleiß und Reparaturen am Rad. Kein Wunder, dass die Fluktuation unter den Ridern immens ist. Nur wenige Fahrer halten so lange durch wie Mittermayer. „Wir riskieren jeden Tag unsere Gesundheit und vermissen auf der anderen Seite jede Sorgfaltspflicht seitens der Arbeitgeber. Da gibt es nicht einmal einen Ansprechpartner für die Fahrer. Von Transparenz kann keine Rede sein!“ Bis vergangene Woche war Orry Mittenmayer für Deliveroo in Köln unterwegs. Nun ist der Vertrag des Betriebsratsvorsitzenden nicht verlängert worden. Das markiert aber nur vorerst das Ende der Mitbestimmung beim Essenslieferanten – mit Unterstützung der NGG laufen bereits die Wiedereinstellungsklagen. 

Alles begann ganz klein 

Was im Sommer 2017 mit einer WhatsApp-Gruppe von 5 Deliveroo-Ridern begann, nahm schnell Fahrt auf: Mittermayer und andere wollten die unhaltbaren Arbeitsbedingungen nicht mehr länger hinnehmen. Binnen 12 Wochen hatte sich die Zahl der Gruppenmitglieder verzehnfacht. „Die Angst, dass Informationen zu früh an die Geschäftsführung gingen, war unser ständiger Begleiter“, so der 25-Jährige, der schließlich Mitte November 2017 - unterstützt durch die NGG in der Region Köln - mit Kolleginnen und Kollegen eine Vollversammlung organisieren konnte.

Deliveroo reagierte prompt auf die Ankündigung der Rider, einen Betriebsrat gründen zu wollen: In der Zeit von Dezember 2017 bis Februar 2018 ließ man mehr als die Hälfte der 100 befristeten Arbeitsverträge in der Rheinmetropole auslaufen. Unter schwierigsten Bedingungen gelang Mitte Februar 2018 dennoch die Betriebsratsgründung bei Deliveroo. Damit folgten der frischgebackene Betriebsratsvorsitzende Orry Mittenmayer und seine Kollegen dem Beispiel der Foodora-Rider, die bereits im Juli 2017 einen neunköpfigen Betriebsrat gegründet hatten. Gemeinsam mit dem ehemaligen Deliveroo-Fahrer Keno Böhme setze Mittenmayer zusätzlich die Facebook-Seite Liefern am Limit auf und rief zu einer Demo in Köln auf. Laut Pressesprecherin Sarah Jochmann – ebenfalls ehemalige Deliveroo-Kollegin – ist das Ziel der Initiative nicht nur, Rider an anderen Standorten zu mobilisieren, sondern vor allem auch Politik und Öffentlichkeit auf die Missstände aufmerksam zu machen und zum Handeln aufzufordern. „Liefern am Limit“ vereint FahrerInnen von deliveroo, fooodra und Lieferando.de und setzt sich unter anderem für die Abschaffung der Befristung sowie ein stärkeres Mitbestimmungsrecht für Betriebsräte ein. „Es muss den Unternehmen klar gemacht werden, dass wir Fahrer es sind, die die Umsätze erwirtschaften. An keiner Stelle gibt es bislang eine Wertschätzung dafür“, so Orry Mittermayer noch Anfang Mai. Über die Plattform werden zudem regelmäßige Rider-Treffen organisiert, an denen auch die NGG beteiligt ist.

Schluss mit Mitbestimmung?

Bis dato schreckte Deliveroo nicht davor zurück, die sachgrundlos befristeten Verträge der Betriebsratsmitglieder einen nach dem anderen auslaufen zu lassen. 90 Tage nach der Gründung des Betriebsrates, ist nun erst einmal Schluss mit der Mitbestimmung bei Deliveroo in Köln, nachdem nun auch der Vorsitzende Mittenmayer gehen musste. Aber der Kampf der Rider geht weiter. Erfolge stellen sich nur langsam ein: Soeben verkündete deliveroo Geschäftsführer Will Shu, den Ridern eine Haftpflicht- und Unfallversicherung stellen zu wollen. Nach Aussage der Initiative „Liefern am Limit“ müssen sich die Fahrer aber weiterhin selbst krankenversichern.

Jetzt Deliveroo-FahrerInnen hier unterstützen!

Mehr Infos: Facebook.com/liefernamlimit

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