Zum Einjährigen: Mindestlohn-Bilanz - 64.500 Gastro-Beschäftigte mehr

Fakten-Check bringt klares Votum: "1:0 für den Mindestlohn"

Berlin - 27. Januar 2016

Alles spricht für einen Mindestlohn-Erfolg: Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat einen „Fakten-Check“ zum gesetzlichen Mindestlohn gemacht. Sie beauftragte dazu das renommierte Pestel-Institut in Hannover, den Mindestlohn von 8,50 Euro nach einem Jahr wissenschaftlich auf den Prüfstand zu stellen. Am heutigen Mittwoch hat die NGG die „Mindestlohn-Analyse“ vorgelegt.  

Die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger zieht dabei eine positive Bilanz: „Der gesetzliche Mindestlohn hat sein erstes Praxis-Jahr bestanden – und zwar mit Bravour. Alle Fakten, die wir analysiert haben, sprechen dafür, dass der feste Lohnsockel einen guten Effekt für Beschäftigung und Wirtschaft hat. Und er ist vor allem auch der Einstieg in den Lohn-Aufstieg für Menschen, die zuvor mit Niedrigstlöhnen abgespeist wurden.“ Vom „Schreckgespenst Mindestlohn“, vor dem die Arbeitgeber gewarnt hätten, sei nichts übrig geblieben: Der Mindestlohn sei weder „Konjunktur-Bremser“ noch „gefährlicher Job-Killer“, so Rosenberger. Es stehe damit „1:0 für den Mindestlohn“, der jetzt weiterentwickelt werden müsse.  

Die NGG-Chefin verweist auf eine positive Beschäftigungssituation im Hotel- und Gaststättengewerbe: „Hotels, Pensionen, Restaurants und Gaststätten haben vom Koch bis zur Kellnerin mehr Personal eingestellt. Insgesamt arbeiteten dort im Juni vergangenen Jahres bundesweit gut 64.500 Menschen mehr als noch im Vergleichsmonat des Vorjahres, als es den gesetzlichen Mindestlohn noch nicht gab“, sagt Rosenberger. Dies sei ein Plus von immerhin 3,5 Prozent. Besonders stark sei dabei die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs in der Branche gestiegen. Hier habe es einen Zuwachs von gut 54.900 Arbeitsplätzen gegeben – und damit ein Plus von 5,8 Prozent.

Nach Angaben der NGG hat der Mindestlohn dazu geführt, dass etliche Arbeitgeber aus Mini-Jobs reguläre Stellen gemacht haben. Das gelte nicht nur für das Gastgewerbe. „Viele Mini-Jobs waren besonders schlecht bezahlt. Durch den Mindestlohn sind die Mini-Jobber über die 450-Euro-Grenze gerutscht. Das sind jetzt sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Diese Menschen haben damit etwas Besseres als den Mini-Job. Das ist ein Riesenerfolg“, so Rosenberger.

Dabei hat die Arbeitslosigkeit, so die NGG, im „Mindestlohn-Jahr 2015“ abgenommen: Im letzten Dezember waren bundesweit rund 2.681.000 Menschen ohne Beschäftigung – und damit 3 Prozent weniger als noch ein Jahr zuvor. Auch die Beschäftigtenzahl insgesamt habe sich mit dem gesetzlichen Mindestlohn positiv entwickelt: Im Sommer des vergangenen Jahres gab es bundesweit rund 596.600 Menschen mehr, die einen Job hatten, als noch im Sommer des Vorjahres. Ein Plus von 2 Prozent.   Und auch der Staat profitiert vom Mindestlohn, sagt die NGG. Er musste weniger Menschen unterstützen und sparte bei den Hartz-IV-Ausgaben. Denn die Zahl der Aufstocker ist zurückgegangen: „Im Juni vergangenen Jahres gab es bundesweit nahezu 48.800 Aufstocker weniger – ein Rückgang um 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Diese Menschen können nun von ihrer Arbeit leben. Sie sind nicht länger auf die ‚Stütze vom Staat‘ angewiesen“, so Rosenberger.  

Diese Zahlen liefern für die Vorsitzende der Gewerkschaft NGG eine „klare Botschaft“: „Der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde hat den Beschäftigten gut getan. Und er hat der Wirtschaft nicht geschadet.“ Im Gegenteil: Das Lohn-Plus habe eine höhere Kaufkraft beschert, von der insbesondere die regionale Wirtschaft profitiere. „Denn Beschäftigte, die den gesetzlichen Mindestlohn bekommen, haben das zusätzlich verdiente Geld nahezu eins zu eins in den Konsum gegeben“, so die NGG-Vorsitzende.  

Um die gesellschaftlichen Chancen dieser Menschen zu verbessern, müsse der Mindestlohn allerdings steigen: „Unser Ziel ist es, ihn möglichst rasch in einem ersten Schritt anzuheben“, macht die Gewerkschaftsvorsitzende deutlich. Die Gewerkschaft NGG habe einen ganz wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland vor einem Jahr überhaupt eingeführt worden sei. Jetzt werde die NGG ebenso hartnäckig daran arbeiten, ihn schrittweise „zu liften“. Die Entscheidung über Euro und Cent, die der Mindestlohn nach oben gehen müsse, liege bei der Mindestlohnkommission. Diese habe zu berücksichtigen, dass der gesetzliche Mindestlohn immer auch „ein Stück sozialer Gerechtigkeit in der Gesellschaft“ widerspiegeln müsse. Schließlich sei diese durch die Konzentration großer Vermögen auf einen Bruchteil der Bevölkerung bereits in eine enorme Schieflage geraten.  

Für die NGG ist eine Erhöhung des Mindestlohns nur konsequent. Das zeige auch eine Renten-Berechnung des Bundesarbeitsministeriums: Um eine Rente von mindestens 769 Euro pro Monat – also gerade einmal die Grundsicherung im Alter – zu bekommen, müsse ein Beschäftigter immerhin mindestens 11,50 Euro pro Stunde verdienen. Und das 45 Jahre lang bei einer Vollzeitstelle. „Ein Leben lang arbeiten und dann doch nur ‚Alters-Hartz-IV‘ bekommen – das kann und das darf es nicht sein. Der gesetzliche Mindestlohn steckt noch in den Kinderschuhen. Aber wir werden ihn groß bekommen“, ist sich NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger sicher.

Kontakt-Hinweis für die Redaktion: Für Rückfragen zur bundesweiten und regionalen „Mindestlohn-Analyse“ steht Ihnen das Pestel-Institut zur Verfügung. Sie erreichen Jonas Abraham vom Pestel-Institut unter der Rufnummer: 0511 / 9 90 94 – 20. Oder per E-Mail: abraham@pestel-institut.de.

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