Union blockiert Gesetzesvorhaben der Arbeitsministerin

"Gute Arbeit gibt es nur mit einer hohen Tarifbindung!"

Kiel - 1. Mai 2017

„Es werden immer mehr. Rund 15 Millionen Beschäftigte arbeiten in Teilzeit. Und das nicht immer freiwillig. 80 Prozent der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen, die gerne wieder mehr arbeiten würden. Deswegen brauchen wir jetzt dringend das Rückehrrecht in Vollzeit.“ Das hat Michaela Rosenberger, Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), in Kiel auf der DGB-Kundgebung zum Tag der Arbeit bekräftigt.

„Diese Woche war es wieder überall zu lesen. Die Linke-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann hatte die Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aufs Tablett gebracht. Atypische und prekäre Beschäftigungsverhältnisse nehmen zu. Jeder Fünfte arbeitet nicht mehr in einem regulären Vollzeitjob. Waren vor rund 20 Jahren noch 8,3 Millionen Beschäftigte in Teilzeit beschäftigt, stieg die Zahl 2016 auf 15,3 Millionen* an. Vor dem Hintergrund der stark steigenden Zahlen der Teilzeitbeschäftigten, die zu einem großen Teil weiblich sind – fast jede zweite Frau arbeitet oft unfreiwillig in Teilzeit – brauchen wir jetzt endlich ein Rückkehrrecht Teilzeitbeschäftigter in Vollzeit.“

Ein gesetzlich verbrieftes Rückkehrrecht in Vollzeit ist seit Monaten im Gespräch. Die Bundesregierung ist allerdings uneins. Die Union blockiert das Gesetzesvorhaben der Arbeitsministerin. „Die NGG macht sich dafür stark, dass das im Koalitionsvertrag vereinbarte Rückkehrrecht Teilzeitbeschäftigter in Vollzeit noch vor der Sommerpause verabschiedet wird“, so Rosenberger. Zudem soll der Rückkehranspruch für alle Betriebe gelten und nicht erst ab 200 Beschäftigten greifen, wie es CDU und CSU fordern. „Wir brauchen auch hier dringend einen Kurswechsel, der nicht nur für ein paar wenige, sondern für alle gilt. Ansonsten nehmen wir in Kauf, dass viele Frauen, die immer noch den größten Anteil an der Kindererziehung und der Pflege übernehmen, ihre eigene Existenz nicht sichern können. Das führt nicht nur heute zu finanziellen Abhängigkeiten, die den Lebensrealitäten nicht entsprechen, sondern birgt auch die Gefahr, dass viele Beschäftigte im Alter von Armut bedroht sein werden.“

Das Rückkehrrecht hätte aber nicht nur Vorteile für Frauen, betonte die NGG-Vorsitzende. Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) würden 35 Prozent dieser Beschäftigten gern mehr arbeiten. Auf der anderen Seite wollen 55 Prozent der Beschäftigten ihre Arbeitszeit reduzieren, auch um den Beruf und das Privatleben besser vereinbaren zu können. „Ein neues Teilzeitrecht, das diese Bedürfnisse nach neuen Arbeitszeitmodellen flexibel und dennoch verbindlich regelt, wäre ein wichtiger Schritt, um die Arbeits- und Lebensgestaltung von Frauen und Männern gerechter und an die Lebenslagen angepasst zu gestalten.”

„Das Motto der diesjährigen 1.Mai-Kundgebung ‚Wir sind viele, wir sind eins!‘ sollte uns Arbeitnehmerinnen nicht nur an unsere gemeinsame Kraft erinnern. Auch die Sozialpartnerschaft mit den Arbeitgebern ist ein wichtiger Baustein, um gemeinsam eine solidarische Gesellschaft und gute Arbeitsbedingungen für alle zu schaffen. Gute Arbeit gibt es nur mit einer hohen Tarifbindung.“ Denn Tarifverträge rahmen das Lohnniveau und die Arbeitsbedingungen, sie bringen den Beschäftigten als auch den Unternehmen Vorteile. In manchen Branchen flüchten immer mehr Betriebe aus der Tarifbindung. Im Gastgewerbe sind die Fluchttendenzen besonders groß. Im Osten arbeiten im Gastgewerbe 74 Prozent aller Menschen in Betrieben ohne Tarifbindung. „Um dem entgegenzuwirken, muss langfristig die Bildung von Betriebsräten erleichtert werden. Denn in nur in 9 Prozent aller betriebsratsfähigen Betriebe gibt es Betriebsräte!“

Rosenberger: „Die NGG arbeitet derzeit an einem längerfristig angelegten Projekt zur Erschließung von ‚weiße Flecken‘, also von Betrieben ohne Betriebsrat und Tarifbindung. Es geht darum, wie es uns gelingt, gemeinsam mit den dort Beschäftigten, Betriebsräte zu wählen und eine Tarifbindung herzustellen. Die derzeit komplizierte Wahl von Betriebsräten sollte deshalb vereinfacht und die Behinderung von Betriebsratswahlen etwa durch höhere Bußgelder und Schwerpunktstaatsanwaltschaften stärker geahndet werden. Betriebsräte, die sich zur Wahl stellen, sollten zudem nicht während des Wahlvorgangs, sondern auch im Falle einer Nichtwahl geschützt werden.“ 

* Quelle: IAB, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg

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