Coronavirus-Infektion bei Müller Fleisch: Landrat und Gesundheitsamt handeln unverantwortlich Freddy Adjan: Unternehmen müssen auch für Hygiene bei der Unterbringung sorgen

22. April 2020

Beim Frischfleischproduzenten Müller Fleisch in Birkenfeld (Pforzheim) sind inzwischen 168 ausländische Werkvertragsbeschäftigte von insgesamt 800 Beschäftigten positiv auf das Coronavirus getestet worden. Alle anderen Beschäftigten des Unternehmens stehen unter Quarantäne, arbeiten aber bis weitere Testergebnisse, die in den nächsten Tagen erwartet werden, vorliegen. Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), hat den Umgang des Unternehmens mit der Gesundheit der Beschäftigten scharf kritisiert und das Verhalten von Gesundheitsamt und Landrat als skandalös bezeichnet.

Freddy Adjan: „Nach unseren langjährigen Erfahrungen ist die Unterbringung der Beschäftigten ein wesentlicher Faktor, der zur Verbreitung von Infektionen in Unternehmen der Fleischindustrie beiträgt.“ Häufig zu kleine und überbelegte Wohnungen, zu wenig Sanitärräume, mangelnde Hygiene, aber auch die körperliche Belastung begünstigten Krankheiten, bei denen die körpereigene Abwehr entscheidend sei. „Wir kennen ausufernde Viruserkrankungen bei den ausländischen Beschäftigten der Fleischunternehmen seit langer Zeit. Im vergangenen Jahr war es eine Hepatitis-Infektion im Emsland.“

Nicht zu unterschätzen sei jedoch die Arbeitsplatzsituation. In der Fleischwirtschaft stehen die Beschäftigten häufig dicht aneinander am Band. „Die nach den Hygienestandards festgelegten Masken dienen vor allem als Spuckschutz. Der Schutzeffekt der persönlichen Hygieneausstattung zur Abwehr von Viren ist nach unserem Kenntnisstand nicht ausreichend geprüft“, kritisiert Adjan.

„Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des örtlich zuständigen Gesundheitsamtes, dass Müller Fleisch seine Tätigkeit bei 168 positiven Corona-Tests unverändert fortsetzen kann, ein Skandal. Die Aussage des Landrats Bastian Rosenau, wonach keine Gefahr für den Verbraucher bestehen, ist ebenfalls fahrlässig.“

Notwendig sei es, dass Gesundheitsamt und Landrat grundsätzlich die Unterbringung der ausländischen Beschäftigten, vor allem die hygienischen Bedingungen nicht nur prüfen, sondern auch verändern. „Die veröffentlichten Aussagen der Beteiligten ‚nachsteuern‘ zu wollen, lassen erkennen, dass eine Lösung des systemischen Problems der Unterbringung nicht geplant ist“, befürchtet Adjan.

Die Gewerkschaft NGG fordere seit langem, dass die Unternehmen, die ausländische Arbeitskräfte über Dienstleiser beschäftigen, auch für deren Unterbringung Verantwortung übernehmen müssen. Dabei seien die Mindestanforderungen der Arbeitsstättenverordnung zu erfüllen. Die Produktsicherheit könne in Zeiten der Coronavirus-Pandemie nur gewährleistet werden, wenn die hygienischen Umstände der Unterbringung berücksichtigt werden.