Im Interview spricht Guido Zeitler, seit rund einem Monat stellvertretender Vorsitzender der NGG, über seine Ziele und wofür er sich einsetzen wird. „Wir müssen vor allem die jungen Menschen begeistern“

Guido Zeitler

Was hast Du Dir als stellvertretender Vorsitzender vorgenommen?

Für mich war es schon immer wichtig, die Menschen zum Mitmachen zu bewegen, sie davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, gemeinsam für faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Die Gewerkschaft ist der Raum und der Ort, in dem diese gemeinsame Aufgabe gerahmt wird. Oftmals gibt es eine eher abstrakte Vorstellung von der gewerkschaftlichen Arbeit, die dazu führt, dass manche denken: „Die machen das schon.“ Es macht aber nicht irgendjemand – wir können die Herausforderungen nur gemeinsam schaffen. Als Gewerkschaft muss man da ehrlich sein: Denn wir brauchen die Mitarbeit der Mitglieder, ohne das Engagement jedes Einzelnen entwickeln wir keine Durchsetzungskraft. Wir als NGG wollen eine starke, einflussreiche Gewerkschaft bleiben, und bei den Mitgliederzahlen natürlich auch noch zulegen. Denn in jedem einzelnen Betrieb entscheidet der Organisationsgrad über die Handlungsfähigkeit und Stärke unserer Aktionen. Wir, das sehe ich als eine meiner Hauptaufgaben, müssen vor allem die jungen Menschen begeistern und überzeugen, dass gewerkschaftliche Arbeit sinnvoll ist. Beispiele dafür gibt es zur Genüge. Wir haben ja schon in vielen Tarifauseinandersetzungen gezeigt, dass die Mitgliedschaft in der NGG nicht nur für den einzelnen Beschäftigten handfeste Vorteile mit sich bringt, sondern eine solidarische Gemeinschaft für alle ein Gewinn ist.

Wie sieht das zum Beispiel im Gastgewerbe aus, wo du bislang als Referatsleiter tätig warst?

Hier kann man eine absolut erfreuliche Entwicklung beobachten. Die Auseinandersetzung mit den großen Systemen, die aktuelle sehr zähe Tarifrunde Systemgastronomie, hätte vor zehn Jahren noch ganz anders ausgesehen. Damals waren wir in dieser Branche weit davon entfernt, die Beschäftigten vor die Tür zu bringen. Seit Anfang dieses Jahres haben mehr als 1000 Menschen im ganzen Bundesgebiet aus Betrieben wie McDonald’s, Burger King, Starbucks, Pizza Hut, Nordsee, Tank & Rast und Autogrill mit zahlreichen Protestaktionen und in mehr als 50 Warnstreiks deutlich gemacht, dass sie für einen Tarifvertrag und für Löhne kämpfen, die mehr als 3 Cent über dem Mindestlohn liegen. Obwohl es sehr viel Mut braucht, in diesen relative kleinen Filialen die Arbeit niederzulegen und Betriebsräte weniger gut geschützt sind als in anderen Branchen. Insgesamt stimmt mich diese Entwicklung positiv.

Wie ist die Stimmung bei den Beschäftigten, nachdem der Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) auch in der vierten Tarifrunde kein akzeptables und verhandelbares Angebot vorgelegt hat?

Dass was der BdS jetzt angeboten hat, begreifen die Menschen nun wirklich nicht als Wertschätzung ihrer harten Arbeit. Sie sind wütend, weil sie schlicht mehr verdient haben. Das Angebot der Arbeitgeber von 8,90 Euro pro Stunde in der untersten Tarifgruppe ist eine Provokation gegenüber den Menschen, die in dieser Branche arbeiten. Die Beschäftigten empfinden das als ehrverletzend, fühlen sich von ihren Arbeitgebern verraten und verkauft. Die Tarifkommission hat einstimmig entschieden, dass das „Angebot“ des BdS nicht verhandelbar ist, denn der Arbeitgeberverband geht nicht im Geringsten auf unsere Forderungen ein – nicht beim Einstiegsgehalt, nicht bei den Eingruppierungen. So zementieren große Konzerne wie McDonald’s und Starbucks weiter auf Kosten der Beschäftigten ihr Niedriglohnimage. Das ist doch skandalös, wenn man bedenkt, dass ein Weltkonzern wie McDonald’s allein in Deutschland einen Umsatz von mehr als drei Milliarden Euro macht.

Wie geht es jetzt weiter? Was hat die Tarifkommission vereinbart?

Wir müssen mit der jetzigen Situation verantwortungsvoll umgehen. Anfang Mai berät die Tarifkommission erneut die weitere Strategie. Wir halten den Druck aufrecht, so viel ist klar. Auch mit weiteren öffentlichkeitswirksamen Aktionen. In den letzten Wochen gab es auch immer wieder gemeinsame solidarische Aktionen. Beschäftigte von Coca-Cola, die seit Jahresbeginn mit Warnstreiks erfolgreich für eine faire Bezahlung und die Anerkennung ihrer geleisteten Arbeit gekämpft haben, sind dann auch mal kurz flashmobartig bei McDonald’s reingeschneit und haben ihren Unmut kundgetan. Diese branchenübergreifende Solidarität zeichnet die NGG aus. In diese Richtung weiterzudenken und gemeinsam kreative Formen des Protests gegen den ausufernden Niedriglohnsektor und die massive Spreizung bei den Löhnen in Deutschland zu entwickeln, das ist eine wichtige Aufgabe in den nächsten Jahren. Erst einmal müssen wir jedoch dafür sorgen, ein verhandlungsfähiges Angebot des BdS zu erstreiten.