Kommt der Mindestlohn überall an? Über diese Frage haben am Dienstag, den 15. September, auf Einladung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Gewerkschaften diskutiert. Das Fazit nach neun Monaten Mindestlohn in Deutschland fällt positiv aus: Bundearbeitsministerin Nahles nannte den Mindestlohn mit Blick auf die aktuellen Arbeitsmarktzahlen eine "echte Erfolgsgeschichte" und stellte fest: "Der Mindestlohn kommt genau da an, wo er soll".
Allzeit-Rekordhoch bei der Zahl der Jobs
So seien insbesondere die Einkommen in den Branchen, in denen Niedriglöhne weit verbreitet sind, seit dem Jahreswechsel spürbar gestiegen. Die Klagelieder und Horrorszenarien, insbesondere von Arbeitgebern aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe, hätten sich nicht bestätigt. Stattdessen sei auch im Gastgewerbe ein "Allzeit-Rekordhoch bei der Zahl der Jobs" bei wachsenden Umsätzen zu beobachten.
Kontrollieren, wo es sich lohnt
Uwe Ledwig, Geschäftsführer der NGG in Berlin-Brandenburg, schilderte typische Umgehungsstrategien von Arbeitgebern in der Berliner Gastronomie. So würden etwa Kellnerinnen und Kellner seit der Einführung des Mindestlohns vermehrt als "Selbstständige" eingesetzt: "Sie kaufen das Bier am Tresen und verkaufen es dem Kunden am Tisch - so bleibt an ihnen das komplette Risiko hängen. Kommen keine Gäste, wird nichts verdient." Für den NGG-Chef der Region Berlin-Brandenburg ist klar: "Natürlich muss man kontrollieren und zwar da, wo es die Verstöße gibt. Vielleicht sollte der Zoll mal bei den Gewerkschaften fragen, wo sich Kontrollen lohnen und wo nicht."
Mindestlohn macht mutiger
Michael Pipper, NGG-Konzernbetriebsrat von Westfleisch, informierte über die Auswirkungen des schon 2014 eingeführten Branchenmindestlohns für die Fleischwirtschaft: "Der Mindestlohn macht die Leute mutiger, ihre Rechte einzufordern und sich zu wehren, wenn sie betrogen werden. Die vielen osteuropäischen Beschäftigten in unserer Branche merken jetzt, dass es auch für sie Regeln gibt und sie sich nicht alles gefallen lassen müssen, zum Beispiel, wenn ihnen zu viel vom Lohn für die Miete oder Transport abgezogen wird." In der Fleischwirtschaft habe der Mindestlohn zu mehr Chancengleichheit zwischen den Unternehmen wie Westfleisch, die sich an Tarifverträge halten, und den schwarzen Schafen, denen es nur durch Ausbeutung der Beschäftigten gelinge, Billigpreise anzubieten, geführt.