Der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern Nestlé will seine Rendite auf 18,5 Prozent steigern. Den damit verbundenen Stellenabbau in Deutschland sieht die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger mit Schrecken: „Es sind Familien, die das ausbaden müssen. Es ist unseriös, wenn ein Lebensmittelhersteller seine Renditeerwartungen höherschraubt als beispielsweise die Automobilindustrie.“ Sie könne kein nachhaltiges Konzept hinter den Kürzungen erkennen.
Nestlé erklärt den Umbau damit, dass nicht nur veränderte Kundengewohnheiten dem Konzern zu schaffen machen, sondern auch die Aktionäre, die auf höhere Renditen pochen. In Deutschland hat das deutliche Auswirkungen auf die noch 10.200 Beschäftigten. In den vergangenen zwölf Monaten hat Nestlé hier 442 Stellen gestrichen. Weitere circa 545 Arbeitsplätze stehen auf der Kippe.
Zahlreiche Standorte betroffen
Das betrifft zahlreiche Standorte: Ein Werk in Biessenhofen im Allgäu, das Kinderprodukte herstellt, soll sich künftig auf Flüssignahrung konzentrieren und die Produktion von Frühstücksflocken aufgeben. Diese Produkte kommen dann aus Polen. Auch das Maggi-Werk im Münsterländer Lüdinghausen ist betroffen. Insgesamt fallen in Werken 300 Arbeitsplätze weg. Dazu kommen weitere 85 Stellen durch die Schließung eines Labors in Weiding. Bis Ende 2020 sollen zudem 160 Menschen weniger in der Frankfurter Zentrale arbeiten - zusätzlich zu 62 Außendienststellen, die bereits gestrichen worden sind.
Doch es sollen nicht nur Arbeitsplätze wegfallen: Auch Änderungen in der Unternehmensstruktur sind vorgesehen. Bislang betonte der Konzern stets die große Eigenständigkeit der Landesgesellschaften. Nun soll die Zone Emena - das Kürzel steht für Europa, Nahost und Nordafrika - unter dem Schlagwort „One Nestlé“ eine größere, übergeordnete Bedeutung bekommen. In einer Matrixorganisation bekommen Manager in den Ländern auch Funktionen für die gesamte Zone.
„Forderungen, das Tarifniveau deutlich zurückzudrehen, sind vollkommen indiskutabel“
Doch was die Aktionäre freut, verunsichert die Belegschaften. Die Gewerkschaft NGG fordert von Nestlé mehr Klarheit über den künftigen Kurs. Rosenberger: „Wir befürchten, dass noch mehr kommt." So gebe es anhaltende Gerüchte über die Nestlé-Marken Herta und Wagner. Bei der saarländischen Pizzamarke Wagner werde Arbeitnehmervertretern zudem immer wieder zu verstehen gegeben, es gebe im Konzern auch moderne Pizzawerke in Italien. „Wir wissen nicht, ob wir es überhaupt noch mit Entscheidungen von Nestlé Deutschland zu tun haben“, sagte Rosenberger mit Blick auf die stärkere Rolle europäischer Strukturen bei Nestlé. In den anstehenden Verhandlungen mit Nestlé wolle NGG erreichen, dass weniger Jobs wegfallen als geplant. Forderungen, das Tarifniveau deutlich zurückzudrehen, seien „vollkommen indiskutabel“.
Quelle: Handelsblatt vom 8. August 2018