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Yo koso! Willkommen!
„Oans, zwoa, gsuffa!“ – spätestens beim Abendessen in Hamburg wurde klar, dass unsere japanischen Gewerkschaftskollegen aus der Ernährungsindustrie die bayrischen Trinklieder nahezu akzentfrei beherrschen. Nicht etwa, weil sie einmal jährlich München besuchen. Aber Yokohama. Dort findet – etwa eine Zugstunde von Tokio entfernt – jeden Herbst das größte japanische Oktoberfest statt, mit eingeflogener Bierzelt-Musi(k) und jeder Menge Bier.
Das wird teilweise eingeflogen, teilweise aber auch in Japan gebraut. Auch der „Woiza“, so im O-Ton unser Kollege Junichiro Haga, Präsident der Sektion Lebensmittel, die mit rund 36.000 Mitgliedern aus 132 Gewerkschaften unter dem Dach der UA Zensen organisiert ist, der größten Industriegewerkschaft Japans. Zur 8-köpfigen japanischen Delegation, die in der vergangenen Woche die NGG-Hauptverwaltung in Hamburg besuchte, gehörten die Präsidenten der wichtigsten Betriebsgewerkschaften: Backindustrie, Milch, Fleisch und Wurst, Käseproduktion und Süßwaren. Mit Susanne Uhl, bei NGG für Internationales zuständig, Thomas Bernhard, NGG-Wirtschaftsgruppenleiter Fleisch, und Wiebke Warneck von unserer europäischen Dachorganisation EFFAT diskutierten sie die industriellen Beziehungen Deutschlands, Tarif- und Branchenpolitik der NGG und ernährungspolitische Fragen.
Die Einblicke, die die Gäste in die japanischen Arbeitsverhältnisse gewährten, muteten teilweise wie ein Blick in die 1970er Jahre in Deutschland an, als hier noch das sogenannte Normalarbeitsverhältnis dominierte. Keine Werkverträge, kein Outsourcing, keine Leiharbeit, aber – wie hier bei uns - verglichen mit anderen Industriebranchen auch in Japan schlechter bezahlt und zunehmend auf Arbeitskräftemigration angewiesen. Bezogen auf Branchenthemen allerdings, das heißt zum Beispiel unfaire Handelspraktiken seitens der Supermärkte, Preisdruck, Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung und für Lebensmittelsicherheit, sind die aktuellen gewerkschaftlichen Themen und Herausforderungen in Japan und Deutschland sehr ähnlich.
Nach dem Austausch in der Hauptverwaltung ging es zum Treffen mit dem Betriebsrat ins Nestlé-Chocoladenwerk samt Betriebsbesichtigung mit Werksleitung. Der Werksleiter selbst allerdings ließ sich kurzfristig entschuldigen: Er war einbestellt in die Schweizer Nestlé-Konzernzentrale nach Vevey. Heute ist klar, warum: Nur einen Tag später ließ der neue Nestlé-Chef Navratil verkünden, dass in kürzester Zeit 16.000 Nestlé-Beschäftigte weltweit ihren Arbeitsplatz verlieren. Susanne Uhl: „Auch die japanischen Kollegen kennen Widerstand: Wir werden ihn an dieser Stelle gemeinsam erproben!“