Arbeit und Mitbestimmung in Zeiten von Industrie 4.0 "Mary" Grenzen setzen

NGG-Diskussion in Löffingen über "Industrie 4.0 - Arbeit 4.0" Foto:NGG

Im baden-württembergischen Löffingen diskutierten vergangene Woche rund 60 Betriebsräte der NGG-Regionen Schwarzwald-Hochrhein und Baden-Württemberg Süd mit der parlamentarischen Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), dem NGG-Landesbezirksvorsitzenden Südwest Uwe Hildebrandt und dem NGG-Hauptvorstandsmitglied Efstathios Michailidis über Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung in Zeiten von "Industrie 4.0".

„Industrie 4.0 darf nicht zum Stressfaktor Nr. 1 werden“

„Wir brauchen tarifpolitische Antworten auf Industrie 4.0“, so Hildebrandt. Die Wahlfreiheit von Freizeit anstelle einer kompletten Lohnerhöhung, Qualifizierungsmöglichkeiten durch tarifvertragliche Regelungen seien nur einige Möglichkeiten, um den Anforderungen gerecht zu werden. „Industrie 4.0 darf nicht zum Stressfaktor Nr. 1 für die Beschäftigten werden. Ständiger Erreichbarkeit und lückenloser Überwachung muss durch tarifvertragliche und betriebsverfassungsrechtliche Regelungen ein Riegel vorgeschoben werden“.

Über internationale Verflechtungen und regionale Schwierigkeiten referierte Schwarzelühr-Sutter: „Wir müssen verhindern, dass Global Player die Standorte gegeneinander ausspielen. Beim Kampf für gute Arbeitsbedingungen stehe ich an eurer Seite.“  

Betriebsvereinbarung schützt vor Datenmissbrauch

Michailidis, Betriebsratsvorsitzender der Göppinger Aqua Römer Mineralbrunnen, berichtete über „Mary“, ein EDV-Programm, das via Funk und künstliche Intelligenz (KI) selbständig mit den Logistikmitarbeitern "spricht", sie zielgenau an die abzuholenden Paletten führt und ein riesiges Lager organisiert: "Mary erleichtert uns zwar die Arbeit, hat aber auch dazu geführt, dass wir ca. 25 Prozent weniger Personal in der Logistik benötigen und Arbeitsplätze weggefallen sind. Und die Mitarbeiter kommunizieren während der Arbeit nicht mehr miteinander, da "Mary" ständig Anweisungen und Gutmeldungen erteilt und abverlangt." Weitere Schattenseiten des technischen Fortschrittes: eine unbändige Datenflut, biometrische Profile bis hin zu arbeitsrechtlichen Folgen. „Wenn das Bewerbungsgespräch über ein Analyseprogramm geführt wird oder Abmahnungen oder gar Kündigungen durch die EDV selbständig ausgesprochen werden, weil der Datenabgleich Fehl- oder Schlechtleistung errechnet, dann ist es Zeit, „Mary“ Grenzen zu setzen. Deshalb haben wir hierzu schon 2004 eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die den Missbrauch von Daten vorbeugend regelt."

"Wir benötigen klare Regelungen"

„Hier ist Handlungsbedarf bei der Politik! Nur 30 Prozent aller Betriebe besitzen einen Betriebsrat, der dieses Problem per Betriebsvereinbarung lösen und das Schlimmste verhindern kann. In den 70 Prozent der betriebsratslosen Betriebe können diese Daten mehr oder minder ungehemmt vom Arbeitgeber genutzt werden. Deshalb benötigen wir zum Schutz der Beschäftigten klare Regelungen, die die Auswertung und gegebenenfalls Verknüpfung biometrischer Daten zum Zweck der Kontrolle der Mitarbeiter und daraus resultierende arbeitsrechtliche Konsequenzen verhindern“, so Michailidis.