Kommentar von Michaela Rosenberger zur Diskussion über die Dokumentationspflicht beim Mindestlohn "Eine effektive Kontrolle wäre unmöglich"

„Seit dem Jahreswechsel sind Arbeitgeber aus Branchen, in denen Schwarzarbeit besonders verbreitet ist, nach dem Mindestlohngesetz dazu verpflichtet, die täglichen Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten zu dokumentieren. Aus dem Bereich der NGG sind die Fleischwirtschaft und das Gastgewerbe betroffen – beide Branchen sind im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannt. Branchenübergreifend sind außerdem all jene Arbeitgeber zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten verpflichtet, die Minijobberinnen und Minijobber beschäftigten.  

Die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeiten ist es, die in der aktuellen Diskussion in besonderem Maße kritisiert und angegriffen wird. Der Mindestlohn sei ein 'bürokratisches Monster' heißt es von Arbeitgeberverbänden und von großen Teilen der CDU/CSU. Der Aufwand für die Arbeitgeber sei zu groß, so schnell wie möglich müssten deshalb die Dokumentationspflichten reduziert werden. Die CSU schlägt gar vor, man solle die Kontrollen durch den Zoll so lange aussetzen, bis Änderungen vorgenommen wurden (LINK). 

Kaum eingeführt, schon abgeschafft?

Kaum eingeführt, könnte der Mindestlohn unter dem billigen Vorwand des Bürokratieabbaus schon wieder abgeschafft werden. Und er ist sehr billig, der Vorwand der überbordenden Bürokratie: Schon seit Jahrzehnten sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Überstunden ihrer regulären Beschäftigten aufzuzeichnen. Das kann aber de facto nur tun, wer auch die normalen Arbeitszeiten korrekt erfasst hat. Dazu kommt: Heute machen elektronische Systeme und Kassen die Zeiterfassung so einfach wie nie zuvor. Und überhaupt gilt: Wer seine Beschäftigten korrekt entlohnen wollte, kam auch bisher kaum um die ordentliche Erfassung der Arbeitszeiten umher.

Tricksereien zu Lasten von Staat und Beschäftigten 

In der Vergangenheit aber haben Arbeitgeber insbesondere bei den Arbeitszeiten von geringfügig Beschäftigten massenhaft getrickst. Das taten sie zu Lasten des Staates, weil die Arbeit teilweise schwarz bezahlt wurde, oder zu Lasten der Beschäftigten, die nicht die volle Arbeitszeit bezahlt bekamen. Und genau diese Tricksereien bei den Arbeitszeiten von Millionen geringfügig Beschäftigten werden durch die Pflicht zur Dokumentation nach dem Mindestlohngesetz endlich erschwert. Zu Recht: Allzulange wurde auch - und leider im besonderen Maße – in Betrieben aus dem Bereich der NGG wie Restaurants, Hotels oder Bäckereien, Schwarzarbeit und unbezahlte Mehrarbeit von Minijobbern wenn nicht gar als Normalzustand, so doch regelmäßig als Kavaliersdelikt, betrachtet.

Entfiele, wie gefordert, die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeitzeiten von geringfügig Beschäftigten, wäre eine effektive Kontrolle des Mindestlohnes unmöglich. Und die ist, wie die Vergangenheit zeigt, dringend nötig. Ohne wirksame Kontrollen könnten Arbeitgeber, die sich durch die Ausbeutung von Minijobbenden und zu Lasten der Staatskasse einen Vorteil gegenüber ihren fairen Konkurrenten verschafft haben, einfach weitermachen wie bisher. Allein im Gastgewerbe sind heute fast eine Million Menschen geringfügig beschäftigt. Würde die Dokumentationspflicht einer solch großen Beschäftigungsgruppe entfallen, wäre dies de facto das Ende des Mindestlohnes in Deutschland. Und die Zahl der Minijobs, die längst schon massenhaft reguläre Arbeitsverhältnisse verdrängt haben, würde noch einmal sprunghaft steigen.  

Tatsache ist: Die Arbeitszeiten korrekt zu erfassen, ist kein ‚bürokratisches Monster‘, sondern schlicht und einfach eine Selbstverständlichkeit.“ 

Michaela Rosenberger, 4. Februar 2015.