Mindestlohngesetz nicht aufweichen! Offener Brief der Gesamtbetriebsräte

In einem offenen Brief haben die Gesamtbetriebsräte des deutschen Gastgewerbes, die rund 45.000 Beschäftigte vertreten, die Bundestagabgeordneten aufgefordert, keine Aufweichung des Mindestlohngesetzes zuzulassen. Betriebsräte, die den offenen Brief unterstützen wollen, können uns ihren Namen, ihren Betrieb und ihren Arbeitsort per Mail an hv.hotels@ngg.net schicken. Sie werden dann hier auf unserer Website ebenfalls als UnterstützerInnen unter dem Brief genannt werden.

Pressemitteilung, 25. März 2015

Der offene Brief der Betriebsräte im Wortlaut:

24. März 2015

Sehr geehrte/r Frau/Herr,

seit dem 1. Januar diesen Jahres gilt der gesetzliche Mindestlohn von EUR 8,50 pro Stunde, von dem insbesondere viele Menschen der insgesamt 1,8 Millionen Beschäftigten im Gastgewerbe profitieren. Dumpinglöhne, weit unter dem heutigen Mindestlohnniveau, waren gerade in unserer Branche keine Seltenheit und haben zu einer starken Wettbewerbsverzerrung zwischen den Betrieben zulasten der Beschäftigten geführt. Hauptursache dafür ist die schwache Tarifbindung der gastgewerblichen Arbeitgeber. Bedingt durch sogenannte OT-Mitgliedschaften (Verbandsmitgliedschaft ohne Tarifbindung) arbeiten lediglich ein Drittel der Beschäftigten bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber, zwei Drittel der Beschäftigten unterliegen nicht dem Schutz von Tarifverträgen. Daher ist der gesetzliche Mindestlohn richtig und wichtig, um die Arbeits- und Lebenssituation der Menschen im Gastgewerbe zu verbessern und um einen faireren Wettbewerb der Unternehmen zu sichern.

Diese positive Wirkung gilt es zu bewahren und weiterzuentwickeln! Dafür ist es zwingend notwendig, dass die Arbeitszeiten der Beschäftigten auch tatsächlich erfasst und bezahlt werden. Hier leistet das Mindestlohngesetz eine wichtige Unterstützung. Denn obwohl die Betriebe des Gastgewerbes bereits in der Vergangenheit einer Verpflichtung zur Dokumentation von Arbeitszeiten unterlagen, wenn diese werktäglich acht Stunden überschritten haben, haben viele Betriebe diese gesetzliche Vorgabe aus dem Arbeitszeitgesetz ignoriert. Die Leidtragenden waren viele Beschäftigte und Auszubildende, die für geleistete Mehrarbeit kein Entgelt erhalten haben, was die eh schon geringen Vergütungen faktisch noch weiter sinken ließ.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um die angebliche Belastung der Betriebe durch die Dokumentationspflicht im Zusammenhang mit dem Mindestlohn sehen wir die positive Wirkung des gesetzlichen Mindestlohns in Gefahr. Die Dokumentation von Arbeitszeiten, die in unseren Betrieben gängige Praxis ist, ist aufgrund der Struktur des Gastgewerbes zwingende Voraussetzung für eine faire und korrekte Entlohnung. Jeder Arbeitgeber im Gastgewerbe, der keine Arbeitszeiten dokumentieren will bzw. die Dokumentationspflicht als „Bürokratiemonster“ zu diskreditieren versucht, muss sich die Frage gefallen lassen, auf welcher Grundlage denn eine korrekte Lohnabrechnung erstellt werden kann, die a) Mehrarbeit und b) ggf. zu zahlende Zuschläge für Mehr- und/oder Nachtarbeit beinhaltet.

Der in diesem Zusammenhang von einigen Arbeitgebern diskutierte angebliche Bürokratieaufwand ist für uns nicht nachvollziehbar, reduzieren sich die zu dokumentierenden Angaben doch auf den Beginn und das Ende der Arbeitszeit sowie die sich daraus ergebende Arbeitszeit pro Beschäftigtem. Eine Aufgabe, die im Durchschnitt pro Beschäftigten nicht mehr als eine Minute dauern sollte und im Übrigen ja auch den Beschäftigten übertragen werden kann. Gänzliches Unverständnis haben wir für die Forderung von Teilen der Wirtschaft, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, sogenannte Minijobs, aus der Dokumentationspflicht wieder herauszunehmen. Wir wissen aufgrund unserer Branchenerfahrung, dass außerhalb unserer Unternehmen insbesondere dieses „Beschäftigungsinstrument“ im Gastgewerbe oftmals dazu genutzt wurde und wird, Schwarzbeschäftigung zu verschleiern. Oftmals werden Beschäftigungsverhältnisse als „Minijob“ abgerechnet, obwohl weit mehr als die inzwischen möglichen 52,94 Stunden im Monat gearbeitet wird (bei Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns von EUR 8,50/Stunde). Neben den offiziellen 450 Euro wird der Rest des Entgelts an den Sozialversicherungskassen und dem Finanzamt vorbei schwarz ausbezahlt.

Daher ist insbesondere für diese Beschäftigtengruppe, die immerhin fast jedes zweite Arbeitsverhältnis im Gastgewerbe ausmacht, eine Dokumentation der tatsächlichen Arbeitszeit von zentraler Bedeutung, wenn die Bekämpfung von Schwarzarbeit wirksam vorangetrieben werden soll. Der gesetzliche Mindestlohn erhält eine breite gesellschaftliche Unterstützung und muss daher auch in seiner Wirkung bei den Menschen ankommen, die vom Mindestlohn profitieren sollen. Das geht in unserer Branche, in der flexible Arbeitszeiten unerlässlich sind, nur mit einer konsequenten Arbeitszeitdokumentation. Daher fordern wir Sie auf, insbesondere keine Änderungen bei der Dokumentationspflicht, aber auch ansonsten keine Aufweichungen vom Mindestlohngesetz zuzulassen und glaubhaft Politik im Interesse der Menschen zu gestalten.

Mit freundlichen Grüßen

Die Gesamtbetriebsratsvorsitzenden des Gastgewerbes:

  • Henk van Oostrum, Accor Hospitality Germany GmbH
  • Polichronis Raptis, Neue Dorint GmbH
  • Andreas Lehmann, Maritim Hotelgesellschaft mbH
  • Carla Strube, Steigenberger Hotels AG
  • Manfred Monjé, Hilton International (Germany) GmbH
  • Manuela Henschel, Arabella Hospitality SE
  • Antonia Liebertz-Krämer, Eurest Deutschland GmbH
  • Peter Katzenmaier, Aramark GmbH
  • Heidi Zilliaskopoulos, Sodexo Service GmbH
  • Anja Naundorf, Klüh Catering GmbH und Klüh Wirtschaftsdienste GmbH & Co. KG
  • Kirsten Bauszus, SV Business Catering GmbH
  • Thomas Kohn, PACE Paparazzi Catering & Event GmbH
  • Claudia Haselier, DINEA Gastronomie GmbH
  • Volker Petri, Nordsee GmbH
  • Kerstin Meißner, SSP Deutschland GmbH
  • Veit Otto, Autogrill Deutschland GmbH
  • Ibrahim Lacin, Burger King GmbH
  • Khaled Saleha, Starbucks Deutschland GmbH

weitere Betriebsräte: 

  • Margita Foth, Eurest i.B. Salzgitter AG
  • Ulric Heinecke, Nordsee GmbH
  • Günther Hambuch, Dorint Köln Junkershof
  • Marco Romualdi, Nordsee GmbH
  • Christian Wienecke Fairmont Vier Jahreszeiten
  • Dehar Dehari, McDonalds Wandelhalle
  • Manfred Wehe, Frankfurter Brauhaus GmbH
  • Henriette Göbel, Fairmont Vier Jahreszeiten
  • Kuldeep Singh, McDonalds Wandelhalle
  • Fumei Tsai, McDonalds Wandelhalle
  • Hans-Joachim Wegener, Radisson Blu
  • Edmund Plaumann, Radisson Blu
  • Olaf Helbeck, Centro Hotels Best Western Ambassador
  • William Faraj, Mecure Hotel
  • Birgit Schulz, Stockheim Systemgastronomie & Co. KG Airport Düsseldorf

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