Altersarmut: Frauen sind besonders gefährdet "Abwarten ist keine Option"

Die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger fordert einen Kurswechsel in der Sozial- und Rentenpolitik. Foto: Felix Holland

Wird das Rentensystem nicht von Grund auf reformiert, wächst die Zahl der Menschen, die im Alter arm sind. Das ist das eindeutige Ergebnis einer neuen Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Demnach könnten bis 2036 rund 20 Prozent der „Neurentner“ von Armut im Alter betroffen sein. Besonders gefährdet sind der Studie zufolge alleinstehende Frauen, Menschen, die über längere Zeiträume ohne Beschäftigung waren, und Menschen ohne Berufsausbildung bzw. mit niedriger beruflicher Qualifikation.

Abwarten ist kein Option

Die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger sieht in der neuen Studie „einen weiteren, drängenden Beleg“ dafür, dass es in der deutschen Renten- und Sozialpolitik „kein weiter so“ geben darf. Rosenberger: „Die Weichen müssen jetzt neu gestellt werden, wir brauchen echte Reformen. Erst einmal bis 2030 abzuwarten und hier und da minimal an den Stellschrauben zu drehen, wie es Kanzlerin Merkel plant, ist keine Option.“

Schockierende Zahlen

Die Zahl der Frauen, die eine so niedrige Rente bekommen, dass sie bei Renteneintritt einen Anspruch auf staatliche Unterstützung in Form von Grundsicherung haben, könnte den Wissenschaftlern zufolge von 16 Prozent in 2015 auf etwa 28 Prozent in 2036 steigen. Rosenberger: „Das sind schockierende Zahlen die zeigen, wie überfällig effektive Schritte für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind.“ Frauen seien besonders von Altersarmut gefährdet, weil sie deutlich häufiger in Teilzeit und in Minijobs arbeiteten und ihre Erwerbsbiographien weniger kontinuierlich verlaufen.

Angesichts fehlender Betreuungsmöglichkeiten für Kinder oder pflegebedürftigen Familienmitgliedern stünden noch immer viele Paare vor der Wahl, wer zu Hause bleibt und die beruflichen und finanziellen Folgen dieser Entscheidung trägt. In der Regel seien das die Frauen. Auch, weil sie meist über das geringere Einkommen verfügen. Millionen alleinerziehender Frauen und Männer hätten gar keine Wahl und müssten zwangsläufig in Teilzeit oder Minijobs arbeiten.  

Eine doppelte Ungerechtigkeit 

„Wer Verantwortung für die Familie übernimmt, verdient heute weniger Geld und bekommt zusätzlich später eine niedrigere Rente. Diese doppelte Ungerechtigkeit muss endlich abgestellt werden.“ So müssten etwa die Anstrengungen bei der Bereitstellung einer ausreichenden Zahl von Kita- und Krippenplätze und kostenloser Ganztagsschulen deutlich erhöht werden. Und die Renten von prekär Beschäftigten gelte es „strukturell aufzuwerten“, so wie es bis 1992 durch die Rente mit Mindestentgeltpunkten der Fall war.