Überleben in der Corona-Krise - ein Interview "Das ist ziemlich entwürdigend"

17. April 2020

Beate Stricker (Name von der Redaktion geändert) arbeitet als Küchenhilfe in einem Restaurant mitten in Hamburg. Ihr Arbeitgeber hat wegen der Corona-Krise im März 2020 für seine Beschäftigten Kurzarbeitergeld beantragt. 

Wie viel hast du vor der Corona-Krise monatlich verdient und welche Fixkosten hast du?

Ich habe normalerweise 1200 Euro netto im Monat, davon gehen für Miete, Nebenkosten und Telefon 650 Euro ab. Für Essen etc., GEZ und meinen kleinen Bausparvertrag bleiben mir da noch 550 Euro. Urlaub kann ich mir natürlich nicht leisten. Ich bin jetzt 56 Jahre alt und war noch nie in meinem Leben in Urlaub. Nur in der Reha wegen meiner chronischen Erkrankung.

Da das Kurzarbeitergeld nicht reicht, um deine Kosten zu decken, hast du bei der Arbeitsagentur Grundsicherung, sprich Hartz IV, beantragt. Wie lief das ab?

Ich habe mich im März telefonisch bei der Agentur gemeldet. Die haben mir dann – wie ich erst später eher zufällig von meinem Betriebsrat und meinem Bruder erfahren habe – den normalen, ca. 9-seitigen Antrag zugeschickt. Also der, wo man auch sein Vermögen angeben muss. Eigentlich sind das wohl jetzt nur fünf Seiten, ohne Vermögensprüfung. Aber ich musste mich so richtig nackig machen. Nachdem mich erst fälschlicherweise die Arbeitsvermittlung zurückrief, hat sich danach die Leistungsabteilung bei mir gemeldet. Die wollten alles wissen: Vermögen, Mietkaution und wie viel Zinsen ich auf meinen Genossenschaftsanteil bekomme. Das waren 2017 genau 78 Cent. Das ist schon bitter, das alles erzählen zu müssen. Leider hatte ich auch vergessen, meine Behinderung zu erwähnen. Ich gehöre aktuell ja auch zur Risikogruppe. Da ist dann das Jobcenter für Schwerbehinderte zuständig. Denen habe ich Kopien meiner Unterlagen in den Briefkasten gesteckt.

Das war gar nicht so leicht, in diesen Zeiten einen Kopierladen zu finden, der noch geöffnet hat. In dem Laden hatten die den Eingang mit einem großen Tisch verbarrikadiert. Da musste ich dann wegen der Hygienevorschriften alle meine privaten Unterlagen, inklusive Lohnzettel, in eine Schublade stecken, und nach dem Kopieren haben sie sie mir dann in einer anderen Schublade zurückgegeben. Irgendwie ist das ziemlich entwürdigend.

Hast du mittlerweile schon Kurzarbeitergeld bekommen?

Erst habe ich eine Abschlagszahlung von meinem Arbeitergeber für März bekommen. Und irgendwie ist auch was vom Amt gekommen. Die waren ziemlich schnell. Aber wenn man Fragen hat, ist natürlich immer jemand anderes am Telefon. Und da ist nicht nur geschultes Personal.

Kannst du vom Kurzarbeitergeld, das sind 60 Prozent deines Nettolohns, denn leben?

Ich lebe ja wirklich nicht auf großem Fuß, sondern bin sparsam, kaufe nur das Nötigste. Mein Sohn ist erwachsen, ich muss also nur für mich selbst sorgen. Aber was soll ich tun? Ich habe ja auch gesundheitliche Probleme. Das nimmt mich alles doch ganz schön mit. Und jetzt muss ich auch noch aufstocken, also Hartz IV beantragen, weil das Kurzarbeitergeld nicht ausreicht.

Die Gewerkschaften und die SPD fordern, das Kurzarbeitergeld auf 80 Prozent des letzten Nettolohns aufzustocken, aber die CDU/CSU will das nicht. Was sagst du dazu?

Mit 80 Prozent wäre mir schon sehr geholfen. Dann müsste ich nur Wohngeld beantragen. Ich will ja keine Almosen. Schließlich habe ich die ganze Zeit gearbeitet und Sozialabgaben geleistet. Es kann doch nicht sein, dass nur den Arbeitgebern geholfen wird.