„Progressionsvorbehalt“ Steuernachzahlung wegen Kurzarbeit?

24. März 2021

Beschäftigte machen sich Sorgen um die finanzielle Situation. Foto: Shutterstock_fizkes

„Progressionsvorbehalt“ und „Steuernachzahlung“: Viele Beschäftigte in Kurzarbeit machen diese Begriffe Sorgen. Die finanzielle Situation ist bereits extrem angespannt – droht jetzt auch noch eine fette Steuernachzahlung? Wir haben nachgerechnet, in den meisten Fällen lautet die Antwort: Nein. Es müssen meist keine Steuern nachgezahlt werden.

Aber: Im Fall einer gemeinsamen Steuererklärung von Ehepaaren kommt es darauf an, welche Steuerklassen gewählt wurden. Bei den Steuerklassen III und V – die häufig von Ehepaaren mit unterschiedlich hohen Einkommen gewählt werden – kann es zu Nachzahlungen kommen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Person mit der Steuerklasse III in Kurzarbeit war.

Bitte beachten: Es gibt Online-Rechner, mit denen der Progressionsvorbehalt errechnet werden können soll. Diese Online-Rechner sind oft verwirrend und wenig aussagekräftig. Um sie fehlerfrei nutzen zu können, müsste sowohl das zu versteuernde Einkommen, als auch die Steuern bekannt sein, die bereits über den Arbeitgeber bezahlt wurden. Diese bereits gezahlten Steuern sind meistens von der online errechneten Summe wieder abzuziehen.

Natürlich gilt: es ist immer eine Frage des konkreten Einzelfalls, ob Steuern nachgezahlt werden müssen oder ob das Finanzamt im Gegenteil sogar zu viel gezahlte Steuern zurücküberweisen wird.

Wir haben realistische Beispielfälle durchgerechnet. Das Ergebnis beruhigt: In den meisten Fällen müssen keine Steuern nachgezahlt werden. 

Wann müssen Steuern nachgezahlt werden?

Beispiele

Du hast ein monatliches Bruttoeinkommen von 1.915 Euro, keine Kinder und bist Steuerklasse I. 

Du hast nur im Januar und Februar 2020 voll gearbeitet, im März nur 55%, April und Mai gar nicht, im Juni wieder 55%, Juli bis September 75%, November und Dezember wieder nicht. Für die Zeiten, in denen du nicht arbeiten konntest hast du Kurzarbeitergeld bezogen. 

Das Bruttojahreseinkommen lag so im Jahr 2020 bei insgesamt 11.298,50 Euro.

Davon werden Werbungskosten u.a. wie bspw. die Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Renten- (9,3%), Arbeitslosen- (1,2%), Kranken- 7,85% und Pflegeversicherungsbeiträge (1,65%), abgezogen und so das zu versteuernden Einkommen von 8.362 Euro ermittelt.

Das Kurzarbeitergeld betrug 5.268 Euro, was zusammen mit dem zu versteuernden Einkommen eine Summe von 13.630 Euro ergibt. Darauf wird ein Steuersatz von 5,61% fällig. Diesen bezahlst du aber nicht auf die 13.630 Euro, sondern – wegen des steuerfreien Kurzarbeitergeldes und dem Progressionsvorbehalt – nur auf das zu versteuernde Einkommen von 8.362 Euro. Das ergibt eine Einkommensteuer von 469 Euro. Davon habt ihr aber über die Lohnsteuer, die der Arbeitgeber für euch abführt, bereits 468 Euro Lohnsteuer und 17 Euro Solidaritätszuschlag bezahlt.

In diese Fall bekämst du eine Erstattung vom Finanzamt in Höhe von 16 Euro.

Du hast ein monatliches Bruttoeinkommen von 2.000 Euro, ein Kind und bist Steuerklasse II.

Du hast nur im Januar bis März 2020 voll gearbeitet, von April bis Mai gar nicht, im Juni wieder 30%, Juli 40%, August bis Oktober 45%, und November und Dezember 10 %. Für die Zeiten, in denen du nicht arbeiten konntest hast du Kurzarbeitergeld bezogen.           

Somit hattest du ein Erwerbseinkommen für das Jahr 2020 in Höhe von 10.500 Euro. Nach allen Abzügen musst du davon 4.446 Euro versteuern. Dein Kurzarbeitergeld betrug 6.989 Euro. Daraus ergibt sich eine Einkommensteuer von 125 Euro. Bezahlt hast du über den Arbeitgeber aber bereits 408 Euro.

In diesem Beispiel-Fall bekämst du eine Erstattung vom Finanzamt in Höhe von 283 Euro.

Du hast ein monatliches Bruttoeinkommen von 1.075 Euro, ein Kind und bist Steuerklasse II.

Du hast nur im Januar bis März 2020 voll gearbeitet, von April bis Juni gar nicht, Juli bis Oktober 30%, und November und Dezember gar nicht. Für die Zeiten, in denen du nicht arbeiten konntest hast du Kurzarbeitergeld bezogen.           

Somit hattest du ein Erwerbseinkommen für das Jahr 2020 in Höhe von 4.515 Euro. Nach allen Abzügen musst du davon 864 Euro versteuern. Dein Kurzarbeitergeld betrug 5.173 Euro.

In diesem Fall bekämst du weder eine Erstattung, noch musst du etwas nachzahlen – du bezahlst keine Steuern.

Das Jahresbruttoeinkommen beträgt 35.100 Euro, das eures/eurer Ehemanns/Ehefrau 18.000 Euro. Euer gemeinsam zu versteuerndes Einkommen liegt bei 43.600 Euro, worauf ihr bereits eine Steuer von 4.885 Euro bezahlt habt.

Ihr habt während des Jahres 2020 Kurzarbeitergeld in Höhe von 3.883 Euro bezogen. Das ist zwar wie auch in allen anderen Fällen steuerfrei, allerdings ist der Steuersatz, der sich aus den Gesamteinnahmen ergibt, auf eure Erwerbseinkommen zu beziehen.

So liegt eure gemeinsam zu entrichtende Einkommenssteuer in diesem Fall laut Splittingtarif bei 6.200 Euro. Ihr müsstet also gemeinsam 1.388 Euro nachzahlen.

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"Progressionsvorbehalt": Was ist das eigentlich?      

Gemäß Einkommensteuergesetz ist das Kurzarbeitergeld steuerfrei. Es unterliegt jedoch dem sogenannten Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a EstG). 

Wenn du 2020 einige Zeit ganz normal gearbeitet hast, dann hat der Arbeitgeber auf diesen Lohn bereits Lohnsteuer an das Finanzamt für dich überwiesen. Diesen Anteil hast du also schon mal bezahlt. Von deinem Nettolohn werden dann nochmals bspw. Werbungskosten und Sonderausgaben etc. abgezogen, so ergibt sich das zu „versteuernde Einkommen“.

Das Kurzarbeitergeld wird auf das zu versteuernden Einkommen drauf gerechnet.  Auf Basis dieser Summe wird ermittelt, welcher Steuersatz auf dieses zusammengerechnete Einkommen zu bezahlen wäre.

Dieser Steuersatz wird dann aber nicht auf das zusammengerechnete Einkommen fällig (denn schließlich ist das Kurzarbeitergeld steuerfrei), sondern „nur“ auf das zu versteuernde Einkommen aus eurem Lohn, also ohne Kurzarbeitergeld. Da diese Berechnung nicht durch den Arbeitgeber erfolgen darf, sondern durch das Finanzamt erfolgen muss, sind die Empfänger verpflichtet, eine Steuererklärung einzureichen.

So kann es für das Jahr 2020 noch zu steuerlichen Nachzahlungen kommen. Für die meisten der von uns berechneten Situationen ist es jedoch zu einer Steuererstattung gekommen.